12. September 2012 von Johnny Favourite
Ein bisschen dämlich war die Idee schon. Ein Musikfestival auf Berliner Hausdächern zwecks Aufpolierung des etwas angestaubten Image? Mitten in der Berlin Music Week, wo drittklassige Stars kein Schwein hinter dem Ofen vorlocken würden? Warum denn nicht, dachte sich Spiegel online. Redakteure, Autoren und Page-View-Huren von dershit.de ziehen Bilanz.
Nach wochenlang vorausgegangener intensivster Selbstbeweihräucherung war es am dann am letzten Sonntag soweit: An drei verschiedenen Locations fand auf Berliner Dächern das ADD-Festival statt – das Auf-den-Dächern-Festival eben. „Nationale und internationale Top-Acts“ wurden vollmundig versprochen, gekommen waren dann neben anderen Philipp Poisel, Bonaparte, Mia. und And they will know us by the trail of dead…ach ja, und der seit über einer Dekade erfolgreiche Rapper Max Herre, der Einzige, den man wohl wirklich als Top-Act bezeichnen könnte – zumindest innerhalb dieses Ensembles.
Die Interaktion zwischen Publikum auf dem Boden und Künstlern auf den Dächern, das gibt man beim ehemaligen Leitmedium freimütig zu, gelang denn auch „nur so mittelprächtig“ (Zitat Hipster-Online-Autor Andreas Bocholte). Die Vermutung, dass „wohl alle viel Spaß“ hatten, lässt sich im Nachhinein nicht verifizieren, live konnten jedenfalls nur einige Auserwählte dabei sein (wahrscheinlich hauptsächlich SPON-Redakteure). Insgesamt hatte man gerade mal Platz für etwa 1000 Zuschauer, aber was solls, auf dem Berlin Festival waren ja auch nur etwa schlappe 20 000. Da das ganze „Festival“ aber auch gestreamt wurde, konnte man sich auch am Bildschirm über geöffnete Herzen und Hosen freuen.
Woher ( und wieso) hatten diese verrückten Tausendsassa von SPON bloß diese bahnbrechende Idee? Darüber kann man nur mutmaßen, die Redaktionskonferenz, auf der die Idee zum ADD-Festival von Spiegel online und tape.tv abgenickt wurde, muss man sich aber wohl in etwa so vorstellen (Unterhaltungen rein fiktiv & Satire):
Mathias Müller von Blumencron: „Leute, wir müssen uns was einfallen lassen, die Jungs von Axel Springer haben uns mit Bild.de überholt. Und unser Konzept, ab jetzt statt auf redaktionelle Qualität auf Hau-Drauf-Schlagzeilen und belanglosen Schwachsinn über Z-Promis aus Hollywood zu setzen, lässt uns langsam auch ziemlich lächerlich aussehen!“
Christian Buß (ängstlich): „Was ist bloß mit uns passiert, immerhin waren wir mal Online-Pioniere und ein leuchtender Stern am Medienhimmel… Sind wir vielleicht einfach plötzlich nicht mehr cool genug?“
Andreas Bocholte (kopfschüttelnd): „Kann ich mir nicht vorstellen, erst letztens bin ich bei gelb-grün über die Ampel zur Redaktion gehastet und hab einen ganzen Maiskolben zum Mittag gehabt, nachdem ihn mir jemand zu einem feinen Brei gestampft hatte…“
Felix Bayer (energisch): „Nein, es sind die Jugendlichen, die falsch liegen, die müssen wir wieder für uns gewinnen…“
MMB: „Was machen wir also? Irgendwelche hippen Vorschläge?“
AB: „Wir besorgen uns eine Affenbande, kostümieren sie und lassen sie den 30-jährigen Krieg nachspielen…“
CB: „So ein Unsinn, wir bauen das World Trade Center in doppelter Größe aus selbstabgeschleckten Eiscremestielen wieder auf und streamen das Ganze über unsere Page…“
FB: „Wir schreiben einfach wieder was vollkommen Unverständliches über das Higgs-Boson, das ist so esoterisch und weit hergeholt, vielleicht locken wir damit ein paar Alt-68er an…“
MMB (entnervt): „Diese verlausten Hippies? Nein, nein, wir brauchen etwas Nachhaltigeres…etwas, das wir schon Wochen vorher auf unserer eigenen Seite bis zum Get-No abfeiern können…aber so dass diesmal keiner merkt, dass wir schon viel zu lange das vom Presserat gesetzte heilige Gebot der Trennung von Redaktion und Werbung unterwandern…“
FB (entgeistert): „Warum sollen wir denn da so subtil vorgehen? Wir liefern doch auch schon seit Ewigkeiten die Produktwerbung für Apple quasi gratis, da hat sich auch noch keiner beschwert, und unsere App verkauft sich immer noch anständig…“
AB: „Ich habs, wir veranstalten so etwas wie unser eigenes Musik-Festival, nur nicht so lahm…wir laden ein paar Piepel nach Berlin ein und machen auf den Hausdächern über der Stadt ne Sause, aber so, dass es keiner mitkriegt…Dann können wir uns nachher diesen Underground- und Illegal-Touch geben, der Berlin so unheimlich cool macht…“
CB: „Geile Idee Broseph, und wir machen es während der Berlin Music Week, dann können wirs darauf schieben falls das Ganze floppen sollte und keiner kommt…ich such schon mal die Nummern von Bonaparte, Mia. und all den Anderen raus…“
MMB (oberlehrerhaft): „Aber einen richtigen Star müssen wir schon aufbieten, jemand der sowohl unserer Generation als auch die Youngsters begeistert…sonst merken die Leute ja gleich dass das alles nur Verarsche zum Selbstzweck ist…wie wärs denn zum Beipiel mit diesem Rapper, Florian Silbereisen?“
FB (ambitioniert): „Ne Chef, der heißt Max Herre…mmmh, bisschen gewagt, der macht ja echte Musik und verzichtet vollkommen auf tuntige Shows und Kostüme à la Rudolf Mooshammer…aber könnte klappen, den Versuch isses wert!“ (haut begeistert mit der Faust seinen Kaffeebecher entzwei)
AB: „Also abgemacht, aber dann will ich auch ne Gehaltserhöhung wenn das Ganze funktioniert, war ja schließlich meine Idee…“
CB (vorsichtig-optimistisch): „Und was wir auf jeden Fall machen sollten ist ein Stream zum Festival, dann brauchen die Leute gar nicht erst vor die Tür gehen, und an dem Wochenende hat die Bundesliga Pause, also werden wir kaum Konkurrenz haben…Internet ist ja mittlerweile auch ganz schön langweilig, oder geht das nur mir so?“
FB: „ …Und dann hauen wir noch ein paar vollkommen aus dem Zusammenhang gerissene Wörter wie Pobacken und (hihi) Brüste in den Artikel, um ihn suchmaschinentauglich aufzumotzen…“
MMB (gemahnend): „Aber nicht vergessen, wir müssen die Veranstaltung so maßlos über-featuren, bis auch der Letzte weiß was für coole Hunde wir immer noch sind…das heißt ab sofort mindestens ein Artikel täglich zu einem Festival-verwandten Thema…“
CB (stark schwitzend): „Man, da müssen wir aber wirklich gewaltig auf die Kacke hauen, ich hab grade gesehen WELT online hat den Killer-Wels aus dem Sommerloch zurückgeholt…“ [siehe http://www.welt.de/vermischtes/article109130234/Der-Teutsche-Wallfisch-und-sein-scheussliches-Maul.html] (ängstliches Stöhnen in der Runde) „Alle Jahre wieder, aber funktioniert immer noch…vielleicht sollten wir den auch einfach übernehmen…?“
MMB: „Nein verdammt, wir machen jetzt das mit der Selbstbeweihräucherung, also ich meine mit dem Festival…und wenn das nicht klappt, setzen wir einfach ein ferngesteuertes Krokodil in der Spree aus…wenn das dann erst mal ein paar Kinder gefressen hat, können die von WELT online mit ihrem blöden Wels aber einpacken!“ (Allgemeiner Beifall)
Und hier der Link zum Original: http://www.spiegel.de/kultur/auf-den-daechern-festival-2012-a-854811.html
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