3. April 2013 von Micha Ober
Ein Haufen Asche für zwei Pizzen. Die Pizzen waren weder aus purem Gold noch vom besten Koch der Welt zubereitet. Es waren zwei gewöhnliche Pizzen vom Lieferdienst, die am 18.05.2010 für einen Preis von 10.000 bitcoins bestellt und gegessen wurden. Was damals noch ein angemessener Betrag war, entspricht heute zum aktuellen Wechselkurs von 100 Dollar pro bitcoin der oben genannten Summe von 1.000.000 Dollar. (Quelle: Bitcoin Forum)
Doch der Reihe nach: Was ist Bitcoin überhaupt?
Im Prinzip ist Bitcoin nicht mehr als eine (weitere) Währung. Allerdings mit dem Unterschied, dass diese nicht von einer Zentralbank ausgegeben wird und auch nicht durch irgendwelche Goldreserven „abgesichert“ wird. Die Währung Bitcoin basiert auf einem kryptographischen Verfahren. Um mit bitcoins zu handeln benötigt man nichts weiter als ein kleines Programm, das sich beim Start mit dem Bitcoin-P2P-Netzwerk verbindet. Nachdem der eigene Client die Synchronisation abgeschlossen hat, kann man bitcoins empfangen und versenden – wie beim Online-Banking. Während der Synchronisation lädt der Client eine Historie aller bisher getätigten Transaktionen herunter, die gleichzeitig auch auf Korrektheit überprüft werden. Korrekt heiß in diesem Fall, dass kein bitcoin doppelt ausgegeben wurde. Diese Prüfung muss außerdem von jedem Teilnehmer selbst vorgenommen werden, denn wie bereits erwähnt gibt es keine zentrale Instanz, die diese Aufgabe übernehmen könnte. Im uns bekannten System wird diese Aufgaben von den Banken übernommen.
Wie kommen dann neue bitcoins in den Umlauf? Mit der Bitcoin-Software lassen sich bitcoins senden und empfangen. Das Senden von bitcoins wird vom lokalen Client in das P2P-Netzwerk weitergeleitet und propagiert daraufhin durch das komplette Netzwerk. Damit ist die Transaktion allerdings noch nicht „endgültig“:
Damit eine Transaktion bestätigt wird, muss sie in einen Block aufgenommen werden. Das Berechnen dieser Blöcke wird mining genannt und ist extrem aufwendig. Der Sinn des mining ist es vor allem, das mehrfache Ausgeben der selben bitcoins zu verhindern. Eine Transaktion, mit der man das versucht, wird beim mining als ungültig erkannt, nicht in einen Block aufgenommen und damit niemals bestätigt. Es ist natürlich möglich, seine eigene Transkation zu minen und damit auch ungültige Transaktionen in einen Block aufzunehmen. Das Problem dabei ist allerdings, dass der dann erzeugte Block von allen anderen minern als ungültig angesehen wird (da er eine ungültige Transaktion enthält). Alle Blöcke im Bitcoin-Netzwerk bilden eine Kette (deswegen wird i.A. auch von der block chain gesprochen), sodass miner ohne „böse Absichten“ ihren nächsten Block nicht auf dem ungültigen Block sondern auf dem letzten (für sie) gültigen Block aufbauen würden. Dieser „gute“ Block würde dann den „bösen“ Block verdrängen. Das funktioniert natürlich nicht mehr, sobald ein Angreifer mehr als 50% der Rechenkapazität des gesamten Netzwerks hat: In diesem Fall würde er schneller „böse“ Blöcke generieren, die dann wiederum die „guten“ Blöcke verdrängen würden. Inzwischen ist das Bitcoin-Netzwerk allerdings so groß, dass es dafür mehrere Supercomputer bräuchte.
Das Bitcoin-Netzwerk selbst ist im Jahr 2009 in Betrieb gegangen, wobei sich die prinzipielle Idee bis ins Jahr 1998 zurückverfolgen lässt: Das sogenannte Hashcash-System sollte E-Mail-Spam beseitigen, indem der Absender einer E-Mail quasi eine Briefmarke minen musste, damit die E-Mail vom Empfänger akzeptiert wird. Für ein gewöhnliches Mail-Aufkommen wäre die dafür notwendige CPU-Leistung unproblematisch, ein Spammer sollte auf diese Weise allerdings stark ausgebremst werden.
Neben der Geschichte mit den Pizzen passieren in der Bitcoin-Welt regelmäßig noch weitere kuriose Dinge. Im offiziellen Bitcoin-Forum meldet sich ein Nutzer mit dem Nick „pirate@40“ und verspricht eine Verzinsung von 7% pro Woche. Ja, richtig gelesen: pro Woche. Das entspricht schlappen 3372% im Jahr. Klingt zu gut um wahr zu sein? Ist es natürlich auch, aber wie immer ist die Gier ist größer als jede Vernunft. Das System hat tatsächlich über mehrere Monate funktioniert. Der Ansturm war schließlich so groß, dass der „Pirat“ nur noch Bitcoin-Beträge im drei- bis vierstelligen Bereich angenommen hat. Das hat andere Leute dazu gebracht, passthroughs anzubieten, also Geld von vielen Nutzern zu sammeln und dann als Mittelsmann zu dienen. Wie bei Schneeballsystem üblich ist das System irgendwann zusammengebrochen und der selbsternannte Pirat hat die Bitcoin-Community um schätzungsweise 500.000 bitcoins erleichtert. Das Umrechnen in Euro erspare ich mir an dieser Stelle. (Mehr dazu auf bitcoinmagazine.com)
In diesem Zusammenhang ist es nützlich zu wissen, dass das Bitcoin-System absolute Anonymität ermöglicht – aber alles andere als garantiert. Eine Bitcoin-Adresse (Kontonummer) hat die Form „1VayNert3x1KzbpzMGt2qdqrAThiRovi8“ und ist erstmal keiner realen Person zuzuordnen. Da man sich auch nirgends registrieren muss, was aufgrund der fehlenden zentralen Instanz weder möglich noch sinnvoll wäre, müssen zur Identifikation einer Person seine Bitcoin-Adresse und weitere Daten, die zur Identifikation geeignet sind, z.B. in einem Foren-Eintrag oder Blog gefunden werden („Bitte schickt mir Spenden an die Adresse …“).
Es gibt momentan kaum eine bessere Möglichkeit, um Zahlungen zu verschleiern – auch und insbesondere über Landesgrenzen hinweg. Bitcoin-Adressen lassen sich in beliebiger Anzahl generieren, zur Verstärkung der eigenen Privatsphäre ist es daher auch sinnvoll, für jede Transaktion eine neue Adresse zu verwenden.
Was ist mit den Leuten, die bitcoins minen? Eine einfache Rechnung: Was kostet (insbesondere Strom) mich die „Berechnung“ eines bitcoins? Wie viel bezahle ich für einen bitcoin auf einem Handelsplatz? Die Differenz gibt den möglichen Gewinn (oder Verlust), den man erzielen kann, wenn man die generierten bitcoins zeitnah verkauft. Die Gesamtzahl an bitcoins hat eine feste Obergrenze: 21 Millionen. Diese werden außerdem nach einem festgelegten „Zeitplan“ generiert: Rechnen mehr Leute mit, erhöht sich die sogenannte „Schwierigkeit“ und alle Leute verdienen entsprechend weniger. Bis Ende 2012 lag die Produktion bei 7200 bitcoins pro Tag, entsprechend des Zeitplans hat sich die Produktion nun auf 3600 bitcoins pro Tag reduziert.
Wer einen größeren Teil vom Kuchen möchte, muss also mehr Geld in Hardware investieren, mit der sich effizienter minen lässt.
Während in der Anfangszeit von Bitcoin, also 2009-2010, noch die Hauptprozessoren in modernen PCs zum minen ausreichend waren, haben findige Leute den Algorithmus zur bitcoin Generation auf Grafikkarten lauffähig gemacht und damit die Rechenleistung des gesamten Netzwerks um eine Größenordnung gesteigert. Leider haben Grafikkarten einen sehr hohen Stromverbrauch, was den nächsten logischen Schritt zur Folge hatte, nämlich die Entwicklung von spezialisierter Bitcoin Hardware. Die Kosten pro Rechenleistung waren im Vergleich zu Grafikkarten teilweise sogar höher, dafür wurden die laufenden Kosten auf ein Zehntel geschrumpft.
Bei dieser Hardware handelte sich um sogenannte FPGAs (Field-programmable gate array, siehe wikipedia), also frei verdrahtbare CPUs – der Bitcoin-Algorithmus wurde erstmalig in Hardware gegossen. Nach diesem Punkt gab es nur noch eine weitere Möglichkeit der Steigerung: Keine FPGAs, sondern „echte“ CPUs (ASICs, Application Specific Integrated Circuit, siehe wikipedia), bei denen die Verdrahtung bereits während der Fertigung fest eingebrannt wird. Da diese CPUs nur eine bestimmte Aufgabe (daher „Application Specific“) erfüllen müssen (und können), ist die Anzahl der nötigen Transistoren und damit der Preis für die Produktion deutlich niedriger. Sowohl die Anschaffungskosten als auch die Energiekosten lassen sich so um mehrere Größenordnungen drücken – die Auslieferung von ASICs hat bereits begonnen, allerdings erreichen die Geräte die Nutzer bisher nur in homöopathischen Dosen. Für die glücklichen Personen, die ein ASIC Gerät erhalten, ist der Wert einer solchen Maschine momentan ungefähr ihr Gewicht in Gold: Bei einem Anschaffungspreis von ca. 1500 Euro lassen sich pro Tag bitcoins im Wert von 300-400 Euro berechnen. Das funktioniert natürlich nur über einen zeitlich sehr begrenzten Zeitraum, denn sobald alle Leute Bitcoin-ASICs besitzen, hat niemand mehr einen (technologischen) Vorteil. Dass ein sehr kleiner Personenkreis einen enormen Vorteil hat, gab es natürlich auch schon bei der Umstellung von CPUs auf Grafikkarten (am Anfang der Entwicklung war die Software, um Grafikkarten zur Berechnung zu benutzen, nicht öffentlich) und bei der Umstellung von Grafikkarten auf FPGAs.
Das ist also Bitcoin. Für einige Leute ist es eine Ideologie, eine neue „Ära“, weil Bitcoin eine theoretische Möglichkeit bietet, mit der wir uns vom aktuellen Bankensystem lösen können. Die begrenzte/maximale Menge an bitcoins würde z.B. verhindern, dass Länder bzw. Zentralbanken in beliebiger Menge Geld drucken. Für wahrscheinlich wesentlich mehr Leute ist es einfach eine Möglichkeit Geld zu verdienen. Sei es durch das minen von bitcoins oder durch Spekulation. Denn der Bitcoin-Kurs ist sehr volatil, daher lassen sich bei großem Risiko potenziell sehr hohe Gewinne einfahren. Der dritte Nutzerkreis besteht aus den Leuten, die Bitcoin tatsächlich nutzen, damit also Transaktionen durchführen, um Produkte zu kaufen. Leider ist die Auswahl an Produkten die mit bitcoin bezahlbar sind momentan noch sehr eingeschränkt, da kaum ein (seriöser) Händler bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert.
Kombiniert mit der praktisch vollständigen Anonymität von Bitcoin ergeben sich für kriminielle Zwecke allerdings ganz neue Möglichkeiten. Neben der Möglichkeit, große Geldmengen ohne Spuren durch die ganze Welt zu schicken, geistert im Zusammenhang mit Bitcoin immer wieder der Name „Silk Road“ durch das Internet. Dabei handelt es sich um einen Marktplatz, den man ausschließlich über den Tor-Anonymisierungsdienst erreicht und bei dem nur Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert ist. In Anbetracht der dort gehandelten Ware – illegale, harte Drogen – scheint dieser Aufwand gerechtfertigt, um sowohl Käufer als auch Verkäufer vor Strafverfolgungsbehörden zu schützen.
Ob der Kurs weiter steigt, es sich aktuell um eine Blase handelt oder ein böser Angreifer versucht, das Netzwerk zu zerstören lässt sich momentan kaum vorhersagen. Alleine die Frage, ob Bitcoin in einigen Jahren noch irgendeine Relevanz hat, ist nicht sicher. Bitcoin hat durch den Status als nicht anerkannte Währung nicht nur viele rechtliche Probleme, auch technisch gibt es einige ungelöste Probleme – insbesondere die stetig steigende Nutzerzahl wird problematisch, wenn weiterhin jeder Teilnehmer die gesamte Transaktionshistorie auf seinem Rechner speichern muss.
Eins steht jedoch fest: Die Idee einer digitalen, dezentralen Währung verschwindet nicht mehr. Selbst wenn Bitcoin scheitert – es wird einen Nachfolger geben.
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