Von den Violetten und Aurafotografie

2. März 2014 von Robert Osterveen

Ein Tag auf der Esoterikmesse in Mannheim

Es war ein recht schöner Samstagmorgen, als ich mich leicht verkatert dazu aufraffte zur Esoterikmesse in Mannheim zu fahren.Vor der Rheingoldhalle im Stadtteil Neckarau, in der das Spektakel stattfand, wartete ich noch auf zwei Freunde, die mir seelischen Beistand leisten sollten. Da die Rheingoldhalle nicht nur ein winziges Messezentrum , sondern gleichzeitig auch die ansässige Golfanlage ist, war allein schon der Blick auf den Parkplatz recht interessant, denn wo sonst sieht man einen Haufen, mit OM-Aufklebern tapezierte Opel Astras neben brandneuen Porsche 911 stehen? Als Kathi und Patrick endlich auftauchten, gingen wir in Richtung Eingang und traten wie durch ein Dimensionsportal in eine andere Welt, die nach Nagchampa roch und in der jede Form von rationalem Gedankengut nicht existent war.

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Neben dem obligatorischen Leinenponcho-Stand, fiel mir sofort der Mineralstand im Foyer auf, an dem man allerhand Steine erwerben konnte, die natürlich gegen jede Form von Krankheit helfen sollen, sei es Asthma oder Rückenschmerzen. Des Weiteren bot der Betreiber des Standes auch Engelsgespräche an. Leider wollte er mir keine genaueren Angaben dazu geben, nachdem er sah, dass ich seinen Stand mehrfach fotografierte und mich recht bestimmt aufforderte zu gehen.

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Nachdem wir den Eintrittspreis gezahlt hatten und einen schönen Lotusblumenstempel auf die Hand bekamen, schritten wir in den Hauptraum der Messehalle. Aus den Deckenboxen dröhnte Ragamusik, die stark an das Best-of von Ravi Shankar erinnerte. Sofort wurden wir von einem Pulk an Verkäufern umzingelt, die uns massig Werbematerial in unsere ungläubigen Hände drückten, die von Zukunftsvorhersage bis zu den allgegenwärtigen Chakra-Pyramiden reichten.

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Natürlich gab es auch politische Themen: Die Kartenleger von Stand 3C baten uns um unsere Unterschrift, um die Violetten als seriöse Partei anzuerkennen. Nebenbei erzählten sie uns was in Zukunft auf uns wartet. Mir wurde gesagt, dass meine keltische Schutzgöttin eine schützende Hand über mich legen würde und mein Jahr das Beste seit Langem wird. Bei Patrick gingen die Karten sogar weiter und sagten ihm die Macht der Heilung voraus, da seine Hände eine magische Wirkung auf Kranke haben soll.

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Begeistert von den rosigen Zukunftsaussichten schlenderten wir weiter durch die Halle. Neben weiteren Engelsmedien und Wunderheilern, gab es in guter alter Dr. Axel Stoll-Manier noch einen Buchstand mit einigen Sachbüchern über das geheime Leben Hitlers in Argentinien, seinem geheimen Leben im Erdinneren, seinem geheimen Leben in der Antarktis oder an irgendeinem anderen Ort auf, in und abseits dieser Welt.

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Auf der großen Bühne am Ende der Halle wurden „Massen“-Akupressuren durchgeführt, die offensichtlich das einzig irdische auf dieser Messe waren.

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Das Highlight war jedoch die Aurafotografie, die versprach das innere Wesen des Menschen sichtbar zu machen. Am Stand selbst saßen eine ältere Frau und ein jüngerer Mann, mit langen Haaren und Undercut, der fast so aussah als ob er gerade von einer Gothic-Convention gekommen sei und sich als ihr Sohn herausstellte. Dieser stand vor einem recht klobigen Kasten, bei dem es sich um jene Aurakamera handeln musste, wie sich aus dem Kontext schließen ließ. Wir fragten ihn was es denn damit auf sich hätte und wie dieses monströse Gerät überhaupt funktioniert. Er erzählte uns von amerikanischen Fotografen und Physikern die nach jahrzehntelanger Arbeit es doch schafften die Spannung der Haut als Aura sichtbar zu machen. Es wäre auch nicht möglich den Apparat auszutricksen, wie es bei EEG-Geräten möglich sei (was der nette Herr nach eigener Angabe schon mehrfach gemacht haben soll, natürlich mit Hilfe von tibetischer Tiefenmeditation).

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Ich war natürlich sofort von der Idee ein Aurafoto zu machen begeistert, der Preis von 35 Euro schreckte mich allerdings ab, also versuchte ich mit Frau Muhn ein Gespräch zu führen. Sie war erstaunlich freundlich und ausgelassen, verglichen zu ihrem recht sonderbaren Sohn. Sie erzählte mir von ihrer Fotografenausbildung, ihrer Zeit als Lehrerin an einer Fachhochschule und ihrer Zeit als Ökoterroristin in den 80ern. Als ich sie fragte ob sie an die ganze Esoterikideologie glaubte sagte sie nur: „wenn es den Menschen hilft, dann glaube ich daran!“, was sie nur noch netter machte. Als sie jedoch von Maori mit psychokinetischen Fähigkeiten sprach, klinkte ich mich mental aus. Nach einer gefühlten halben Stunde sagte sie zu mir, dass sie mir ein Aurafoto ausgeben möchte. Voller Freude sagte ich zu und ergab mich der Prozedur. Ich setzte mich auf den Stuhl vor der Kamera und ihr Sohn wickelte mich in ein schwarzes Satintuch. Ich sollte meine Hand auf eine Metallplatte legen und in die Kamera schauen. Und das war’s. Aus der Kamera, die scheinbar wie eine Polaroid funktionierte kam ein Bild heraus, was allerdings noch zwei Minuten entwickelt werden musste. Als es fertig war, war ich allerdings ziemlich ernüchtert, es war einfach nur rot. Ich hatte mir schon wahnsinnige Farbwirbel und Psychedelische Chakramuster von anderen Welten vorgestellt, da war dieses einfache rot doch recht deprimierend. Ich setzte mich wieder zu Frau Muhn und sie erklärte mir, dass das rot Leidenschft und Spontanität bedeutet und das ich die geborene Führungsperson wäre, wenn doch nicht der tiefe Schmerz meiner Seele wäre, der mich davon abbrächte. Gleichzeitig wäre ich auch spirituell und erdverbunden. Interessant…

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Ich bedankte mich herzlichst und wir zogen weiter zum Wahrsagestand, an dem die nette Frau fragte, ob sie Patricks Hand lesen sollte. Er sagte spontan „ja“, fragte dann aber geistesgegenwärtig, ob es was kostet. „Hier kosten alles!“, rief sie mit einer fast erschreckenden Bestimmtheit. Es war erschreckend, denn wir alle wussten zwar was hier abging, hätten aber nie zu träumen gewagt, dass jemand das Konzept so offensichtlich herausschreit.

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Letztendlich muss man sagen, dass Menschen, die ihr Leben nicht der Esoterik anvertrauen, diese Welt nicht verstehen werden, auch wir lachten mehrmals über das wahnwitzige Angebot der Messe. Doch war das alles wirklich lächerlich? Warum sollten wir diejenigen abstempeln, die an Chakren glauben und nicht an die Medizin? Was ist überhaupt normal?

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Grundsätzlich ist die Esoterikmesse ein Ort, an dem sich Hoffnungslose, Verwirrte, Verrückte und Leute die diese ausbeuten wollen tummeln, doch gleichzeitig sind sie alle freundlicher und offener als wir jemals sein könnten.

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